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Beitrag vom 20.06.2022
Das American Jewish Committee Berlin fordert Entlassung der documenta-Geschäftsführerin. Der Deutsche Kulturrat bezeichnet die Exponate als Skandal mit Ansage
AVIVA-Redaktion
Antisemitismus pur auf der documenta fifteen: Ein Soldat mit Schweinekopf trägt neben einem Helm mit der Aufschrift "Mossad" ein Halstuch mit einem Davidstern. Die Serie "Guernica Gaza" setzt die Luftangriffe Nazi-Deutschlands auf die spanische Stadt Guernica 1937 mit der Terrorbekämpfung der israelischen Luftwaffe gegen Ziele der islamistischen Terrororganisation Hamas im Gazastreifen gleich. Noch Fragen?
Wie das American Jewish Committee Berlin in seiner Pressemitteilung vom 20. Juni 2022 mitteilte, ist die Organisation erschüttert darüber, dass auf der documenta fifteen trotz der vorangegangenen monatelangen Debatten offener Antisemitismus zur Schau getragen wird. Das indonesische Kollektiv "Taring Padi" präsentiert am Friedrichsplatz in Kassel ein Banner mit zwei Figuren, die an die antisemitische Bildsprache des nationalsozialistischen Hetzblattes "Der Stürmer" erinnern: Ein Soldat mit Schweinekopf trägt neben einem Helm mit der Aufschrift "Mossad" ein Halstuch mit einem Davidstern. Auf demselben Banner wird ein orthodox dargestellter Jude mit Schläfenlocken und einer Kippa, monströsen Gesichtszügen und SS-Rune versehen. An anderer Stelle betreibt der Künstler Mohammed Al Hawajri eine antisemitische Täter-Opfer-Umkehr, indem er mit seiner Serie "Guernica Gaza" die Luftangriffe Nazi-Deutschlands auf die spanische Stadt Guernica 1937 mit der Terrorbekämpfung der israelischen Luftwaffe gegen Ziele der islamistischen Terrororganisation Hamas im Gazastreifen gleichsetzt.
AJC Berlin Direktor Dr. Remko Leemhuis erklärt dazu: "Trotz unzähliger Beteuerungen im Vorfeld von Seiten der documenta, dass die Ausstellung Antisemitismus keinen Raum bieten werde, müssen wir leider feststellen, dass genau das eingetreten ist und offenem Judenhass eine große Bühne geboten wird. Angesichts dieser antisemitischen Vorfälle fordern wir daher, dass die Geschäftsführerin der documenta, Frau Dr. Sabine Schormann, umgehend von ihren Aufgaben entbunden wird, der offen zur Schau gestellte Antisemitismus unverzüglich unterbunden und die entsprechenden Werke entfernt werden."
Weiter führt Leemhuis aus: "Ebenso müssen wir bedauerlicherweise feststellen, dass die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien Claudia Roth im Vorfeld ebenfalls nicht gehandelt hat. Wir erwarten von ihr eine umgehende und ausführliche Stellungnahme, wie es trotz der vorangegangenen Debatten zu diesem unverhohlenen Antisemitismus kommen konnte. Eine erneute Einberufung von Expertenkreisen oder Kommissionen erachten wir angesichts des derart offensichtlichen Antisemitismus für obsolet. Die politischen Verantwortlichen müssen sich erklären und unverzüglich die entsprechenden Konsequenzen ziehen."
Leemhuis abschließend: "Wir bedauern sehr, dass die Arbeiten der anderen Künstlerinnen und Künstler durch diesen Antisemitismusskandal in den Hintergrund geraten. Sie hätten es verdient, dass ihre Kunst eine breite öffentliche Beachtung erfährt."
Auch der Deutsche Kulturrat positioniert sich klar gegen die antisemitischen und antiisraelischen Exponate und erklärt in seiner Pressemitteilung vom 20. Juni 2022 "Antisemitische Werke auf der Documenta fifteen - ein Skandal mit Ansage":
Auf der am Samstag in Kassel eröffneten Ausstellung Documenta fifteen lassen einige Kunstwerke den im Vorfeld befürchteten Antisemitismus überdeutlich erkennen. Insbesondere ein großformatiges Banner des indonesischen Künstlerkollektivs Taring Padi sorgt für heftige Kritik.
Der Präsident des Zentralrates der Juden, Josef Schuster, bedauert gleichermaßen den Antisemitismus der Künstler wie die mangelnde Verantwortung der Ausstellungsmacher, die hier zutage tritt. Er sagte: "Die Verantwortlichen der Documenta müssen jetzt ihrer gesellschaftlichen Verantwortung gerecht werden und Konsequenzen ziehen."
Die Kulturstaatsministerin Claudia Roth twitterte zu den antisemitischen Werken und den nun notwendigen Konsequenzen: "Das ist aus meiner Sicht antisemitische Bildsprache. … Die documenta muss das umgehend gegenüber den Kuratoren und Künstlern deutlich machen und die notwendigen Konsequenzen ziehen."
Der Geschäftsführer des Deutschen Kulturrates, Olaf Zimmermann, sagte: "Es ist vollkommen unverständlich, wie die Documenta fifteen-Verantwortlichen es zulassen konnten, dass diese antisemitischen Werke trotz aller Diskussionen im Vorfeld ausgestellt wurden. Es ist ein Skandal mit Ansage, das macht die Sache noch bitterer. Die Gesellschafter der Documenta fifteen, also die Stadt Kassel und das Land Hessen müssen jetzt für Klarheit sorgen, da die Geschäftsführung der Documenta fifteen offensichtlich dazu nicht bereit oder in der Lage ist."
Sharon Adler, Herausgeberin der AVIVA-Berlin, ist nicht überrascht. Schon im Vorfeld zeichnete sich im Tenor der öffentlichen Verlautbarungen der Documenta fifteen, in der Auswahl der eingeladenen beziehungsweise nicht eingeladenen Künstler:innen ganz deutlich das Bild ab, das altbekannte antisemitische Codes reproduziert. Wenn nun Claudia Roth davon spricht, die documenta müsse die "(…) notwendigen Konsequenzen ziehen", kommt diese Einsicht leider etwas spät. Zu spät.
Quellen: American Jewish Committee, Deutscher Kulturrat